Aus Angst vor China werden USA die Ukraine weiter unterstützen
Von Pjotr Akopow
Die Gespräche der Verteidigungsminister Russlands und Chinas könnten zu einem weiteren routinemäßigen Kontakt werden – die Festigung der militärischen Verbindungen zwischen beiden Staaten ist seit langem keine Neuigkeit mehr. Zumal das Treffen im Videoformat und nicht persönlich stattfand. Was sich da jedoch tatsächlich abspielte, war alles andere als ein gewöhnliches Ereignis, und zwar nicht nur für die russisch-chinesischen Beziehungen, sondern für das gesamte Beziehungsgeflecht im Dreieck Russland-China-Westen.
Und es ging nicht einmal darum, dass Admiral Dong Jun erst vor einem Monat zum Verteidigungsminister ernannt wurde, und in diesem Amt das Gespräch zuerst mit Sergei Schoigu suchte, auch wenn der chinesische Minister das betonte. Es ging aber auch nicht darum, dass Schoigu Dong mit "Genosse" anredete und daran erinnerte, dass Letzterer einen Lehrgang an der Militärakademie des Generalstabs Russlands absolviert und die russisch-chinesischen Marinemanöver auf chinesischer Seite kommandiert hatte. Der Admiral erklärte dem russischen Minister seinerseits, dass er "seinen Mut, den er bei der sich schnell ändernden internationalen Lage zeigt", bewundere. Natürlich ist der persönliche Faktor sehr wichtig, und bei den russisch-chinesischen Beziehungen spielt er tatsächlich eine große Rolle, angefangen bei dem vertraulichen Verhältnis zwischen Wladimir Putin und Xi Jinping. Genauso wichtig sind symbolische Gesten sowie Äußerungen wie diejenige, die Admiral Dong tätigte, als er sagte, dass das jetzige Gespräch "vollständig die tiefe Freundschaft zwischen den Armeen Russlands und Chinas, gemeinsame Hoffnungen auf eine Vertiefung der strategischen Zusammenarbeit und auf den Erhalt des Friedens weltweit" zeige und eine besondere Bedeutung habe.
Doch bei dem Gespräch zwischen Schoigu und Dong kam etwas zur Sprache, was kaum als bloße diplomatische Höflichkeit gewertet werden kann. Der chinesische Minister nannte Russland und China nicht nur "zwei Schlüsselkräfte in der Welt, die entschieden auf globale Herausforderungen reagieren müssen." Sondern er sagte auch direkt, dass in den letzten Jahren die USA und andere westliche Länder versuchten, Russland zu isolieren. China verstehe dies und versuche, Russland zu unterstützen:
"Wir unterstützten Sie in der ukrainischen Frage, obwohl die USA und Europa weiterhin die chinesische Seite unter Druck setzen. Selbst die Verteidigungszusammenarbeit zwischen China und der EU ist gefährdet, doch wir werden deswegen nicht nachgeben oder von dem eingeschlagenen politischen Kurs abweichen. Sie dürfen und können eine normale russisch-chinesische Zusammenarbeit nicht verhindern."
Formell ist an dieser Aussage nichts neu – alle wissen bereits, dass der Westen China dazu drängt, sich von Russland zu distanzieren (und zwar nicht nur in der Frage der Ukraine, sondern auch in Bezug auf die Einhaltung westlicher Restriktionen). Der Hegemon drängt das Reich der Mitte dazu, ebenfalls Sanktionen gegen Russland zu verhängen und – so wie der Westen – mit deren Ausweitung zu drohen. China indes hört zu, widerspricht, tut weiter das, was es für nötig hält, und festigt unter anderem die bilateralen Verbindungen zu Russland. Sicher ist das keine Neuigkeit, doch der eigentliche Ton und die Offenheit des chinesischen Verteidigungsministers sind beispiellos. Nie zuvor waren Beamte seines Ranges so offen. Und die Tatsache, dass Chinas Führung sich entschieden hat, ihre Rhetorik in Bezug auf den Westen zu verschärfen und offen anzukündigen, Russland im militärischen Bereich zu unterstützen, ist an sich schon ein wichtiges Ereignis.
Besonders deutlich wird das vor dem Hintergrund der Versuche der USA, China nicht mehr nur in Bezug auf die Ukraine, sondern auch in Bezug auf den Nahen Osten zu maßregeln: Die Amerikaner wollen, dass Peking Druck auf Teheran ausübt, damit die Iraner die jemenitischen Huthi dazu bringen, den Beschuss auf Schiffe im Roten Meer einzustellen. Mit anderen Worten: Nicht die USA müssten Israel zügeln, das den Nahen Osten in Brand gesetzt hat, sondern China müsse den Amerikanern helfen, die durch ihre eigene Politik verursachten Probleme zu lösen – und in den Augen der islamischen Welt ein Partner der USA werden. Selbstverständlich hält Peking solche "Vorschläge" für blanken Hohn, zumal sie mit weiterem Druck im Hinblick auf die Ukraine einhergehen. Die Tatsache, dass die Fragen der Ukraine und des Nahen Ostens in Washingtons Bewusstsein untrennbar mit der Frage Taiwans, also Chinas, verbunden sind, ist für Peking indessen kein Geheimnis. Auch die USA machen keinerlei Hehl daraus.
Jüngst wurde in der Zeitschrift Foreign Affairs ein Artikel des CIA-Chefs William Burns unter dem Namen "Spionage und Staatskunst: Transformation der CIA in einem Zeitalter des Wettbewerbs" veröffentlicht. Darin wird die Fähigkeit der USA, Russland eine Niederlage in der Ukraine beizubringen, in einen direkten Zusammenhang mit der Eindämmung Chinas gestellt. Die Waffenlieferungen an Kiew sollen fortgesetzt werden, denn, so schreibt Burns, "niemand beobachtet die Unterstützung der Ukraine durch die USA so aufmerksam wie die chinesische Führung."
Das heißt, es geht bei der Unterstützung der Ukraine für die USA inzwischen nicht mehr nur um eine Eindämmung Russlands, sondern auch um eine Eindämmung Chinas. Wir dürfen in der Ukraine nicht verlieren, denn dann wird uns China für Schwächlinge halten und Taiwan angreifen, gibt Burns faktisch zu. Doch das ist keine analytische Prophezeiung, sondern eine bewusste Provokation. China betrachtet die USA tatsächlich als einen schwächer werdenden Hegemon, doch die Vereinigten Staaten werden praktisch von allen Machtzentren der Welt so gesehen, auch von Russland. Mehr noch, selbst im von den USA abhängigen Europa gehen immer mehr Strategen davon aus, dass die Vereinigten Staaten mittelfristig nicht in der Lage sein werden, selbst die europäische Sicherheit zu gewährleisten, geschweige denn "die Welt zu führen".
Daher hat China keinerlei Grund, den Prozess des Absturzes der USA zu beschleunigen, also einen Krieg mit den Vereinigten Staaten wegen Taiwan anzuzetteln. China wird günstige Umstände für eine Wiedervereinigung abwarten, und die Situation in der Ukraine wird seine Taktik in Bezug auf Taiwan in keiner Weise beeinflussen. Zumal Peking weiß, dass eine Niederlage der USA in der Ukraine unvermeidlich ist. Und von dieser Tatsache geht die chinesische Regierung auch aus. Indessen zweifelt China nicht an den Vorteilen seines strategischen Kurses der Annäherung an Russland – und hat nicht die Absicht, diese Entscheidung zu verheimlichen.
Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei RIA Nowosti.
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